So geht Payroll
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Entgeltgleichheit, Entgelttransparenz und medienwechselnde Urteile:

Entgeltgleichheit, Entgelttransparenz und medienwechselnde Urteile:

Foto: Selbst erstellt von Kai Fröhling.

Arbeitsrecht?
Urteile über Urteile, Richtlinien über Richtlinien –
da blicken nur noch Michaela und Dominik durch.

 Für euch bringen Sie Licht ins Dunkle.


Im Herbst 2024 erging ein Urteil des LAG Stuttgart (01.10.2024 – 2 Sa 14/24),
das zeigt, dass selbst ein Dax-Unternehmen, wie die Mercedes-Benz AG,
nicht über ein strukturiertes Gehaltssystem verfügt.

In vielen anderen Unternehmen dürfte es ähnlich aussehen.


Unternehmen sollten bereits jetzt handeln!

Das heißt nicht, dass man sich nun gemütlich zurücklehnen kann („nach dem Motto: Wir befinden uns in bester Gesellschaft“), sondern dass man erst recht jetzt tätig wird.

Denn spätestens am 07.06.2026 verschärfen sich die Regelungen zur Entgelttransparenz. Unternehmen sollten sich hierfür wappnen. Der erste Teil unserer Mini-Serie zu diesem Thema stellt Euch vor, worum es überhaupt geht.


Massive Verschärfung der Pflichten für Unternehmen durch die Entgelttransparenzrichtlinie

Das Gebot der Entgeltgleichheit ist nichts Neues. Dies ist sowohl in Art. 157 AEUV sowie in § 3 Abs. 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) geregelt. Zudem verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Gehaltsunterschiede beispielsweise aufgrund des Geschlechts. Dennoch handelt es sich bei diesen Regelungen bislang um einen „zahnlosen“ Tiger. Mit der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie wird sich das ändern.

Die Entgelttransparenz-Richtlinie stellt einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen Lohnungerechtigkeit dar. Am 06.06.2023 trat die europäische Entgelttransparenz-Richtlinie (EU) 2023/970[1] in Kraft („EntgTransp-RL“). Bis zum 07.06.2026 haben die Mitgliedstaaten Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. Viele Unternehmen haben noch nicht erkannt, was das konkret bedeutet und dass bereits jetzt Handlungsbedarf besteht, denn einiges wird sich grundlegend ändern.

[1] Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ RL (EU) 2023/970 vom 10.5.2023, L 132/21 (sog. Entgelttransparenz-Richtlinie).


Fakten-Check

Die wichtigsten fünf Fakten in Kürze:

  1. Die Entgelttransparenzrichtlinie ist beschlossen, in Kraft und deren Inhalte gelten ab dem 07.06.2026 auch für deutsche Unternehmen – entweder aufgrund eines deutschen Umsetzungsgesetzes oder (falls Deutschland sich diesbezüglich mal wieder Zeit lässt) unmittelbar aus der Richtlinie.

  2. Die Entgelttransparenzrichtlinie soll die Lohntransparenz erhöhen, geschlechtsspezifische Lohnunterschiede bekämpfen, Beschäftigten leichter Zugang zu den Gehaltsstrukturen eines Unternehmens geben und ihnen dadurch die Möglichkeit schaffen, das Recht auf das gleiche Entgelt (leichter) durchzusetzen.

  3. Die Entgelttransparenzrichtlinie geht in weiten Teilen deutlich über die bisherigen deutschen Regelungen hinaus. Dies gilt vor allem für den Anwendungsbereich, die Rechte der Arbeitnehmer und die Pflichten der Unternehmer. Deutlich wird dies, wenn man sich vergegenwärtigt, dass künftig sogar Bewerber proaktiv über das zu zahlende Gehalt informiert werden müssen. Die Entgelttransparenzrichtlinie sieht vor, dass Unternehmen Gehaltsangaben für ausgeschriebene Stellen bereits im Voraus veröffentlichen, was zur Zeit in den meisten Unternehmen undenkbar wäre.
  1. Arbeitgeber sind zudem verpflichtet ihren Beschäftigten in leicht zugänglicher Weise Informationen darüber zur Verfügung, welche Kriterien für die Festlegung a) ihres Entgelts, b) ihrer Entgelthöhen und c) ihrer Entgeltentwicklung verwendet werden. Diese Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.

  2. Passend dazu gibt es diverse Auskunfts- und Berichtspflichten. Anders als bisher in Deutschland sieht Art. 7 Abs. 1 EntgTranspRL einen Auskunftsanspruch für (alle) Beschäftigten – und zwar unabhängig von der Unternehmensgröße/Beschäftigtenanzahl vor. Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich – ebenfalls anders als jetzt – auf die statistische Berechnung des Durchschnitts.

    Diese Auskünfte müssen in schriftlicher Form bereitgestellt werden und nicht nur nach Geschlecht, sondern auch nach Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten (Vergleichsgruppen), aufgeschlüsselt sein. Darüber hinaus ist gemäß Art. 7 eine Differenzierung nach den einzelnen Entgeltbestandteilen vorzunehmen.


Was ist jetzt also zu tun?

  1. Unternehmen müssen die aktuellen Lohnstrukturen analysieren und die Gehälter aller Beschäftigten unter die Lupe nehmen. Zentraler Punkt ist die Vergleichsgruppenbildung. Angeknüpft wird hierbei an eine „gleiche“ oder „gleichwertige“ Arbeit. Bereits diese notwendige Vorarbeit (Beschaffung einer verlässlichen Datengrundlage sowie Bildung entsprechender Vergleichsordnung) wird – je nach status quo –  mehrere Monate dauern.

  2. Als nächstes müssen Unternehmen transparente Lohnstrukturen einführen und Ungleichbehandlung ausgleichen. Die Einführung kann dabei schrittweise erfolgen. In der Übergangszeit kann beispielsweise auch mit strategischen Gehaltserhöhungen gearbeitet werden.

  3. Um die diversen Berichts- und Veröffentlichungspflichten in der Praxis zu handhaben, sind Unternehmen gut beraten, sich nach technischen Lösungen umzusehen.

Fazit

Ein erster Blick auf die Entgelttransparenzrichtlinie zeigt, dass Unternehmen gut beraten sind, sich mit den anstehenden Änderungen frühzeitig vertraut zu machen und die Pflichten, die sie ohnehin treffen werden, für sich zu nutzen.

Hierbei ist im Blick zu haben, dass eine Vorreiterrolle bezüglich des Themas Entgelts für das Recruiting genutzt werden und die bestehende Belegschaft durch eine entsprechende Kommunikation motiviert und gebunden werden kann.


Das Wichtigste in Kürze:

Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die verschärften Anforderungen der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie vorbereiten, die ab dem 07.06.2026 gelten, da diese umfassendere Rechte für Arbeitnehmer und strengere Pflichten für Arbeitgeber, wie transparente Gehaltsstrukturen und detaillierte Auskunfts- und Berichtspflichten, vorschreibt.

Eine rechtzeitige Anpassung der Lohnsysteme und die Einführung geeigneter technischer Lösungen können nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern auch als strategischer Vorteil im Recruiting und zur Mitarbeiterbindung genutzt werden.


Die Podcast-Folge zum Thema:

Die EU Entgelttransparenzrichtlinie, da kommt was auf uns zu


 

Wer ist Dr. Michaela Felisiak?

Michaela ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Counsel in der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei Eversheds Sutherland. 
 
Sie verfügt über umfangreiche Expertise im Bereich Arbeitsrecht und Compliance und ist als Referentin und Autorin zu arbeitsrechtlichen Themen tätig. Sie berät Mandanten in komplexen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, einschließlich Auslandsentsendungen und globaler Vernetzung in der modernen Arbeitswelt.

 

Wer ist Dr. Dominik Sorber?

Dominik ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei POELLATH + Partners.
Er berät deutsche und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.

Ferner ist er Autor zahlreicher fachlicher Aufsätze und tritt als Referent bei Fachkonferenzen auf. Zudem engagiert er sich als Experte für innovative Mandantenberatung in den Bereichen Arbeitsrecht und Beschäftigtendatenschutz.


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