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Zurück in die „Gesetzliche“ – aber wie?

Zurück in die „Gesetzliche“ – aber wie?

„Ich möchte zurück in die gesetzliche Krankenversicherung.“ Diese Anfrage erhalten Personalabteilungen immer wieder von meist älteren Beschäftigten mit privater Krankenversicherung. Doch so einfach ist der Wechsel nicht, die Hürden sind hoch und in manchen Fällen unüberwindbar. Gemeinsam mit dem Sozialversicherungsexperten Stephan Timper schauen Kai und Markus auf die Fallstricke und Irrtümer zu diesem komplexen Thema.

Stephan, das Netz ist voll mit Tipps à la „Zurück in die GKV, alles ganz einfach!“ Warum reden plötzlich so viele über dieses Thema?

 

Weil es knallt. Die Beiträge zur privaten Krankenversicherung (PKV) explodieren, vermeintlich gerade im Alter. Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten, die Rente reicht oft nicht, und viele merken: Ich hab zwar eine schicke Versicherung, aber eher keinen Plan, wie ich das dauerhaft bezahlen soll. Also beginnt die Suche nach Alternativen – und da kommt man schnell bei genau dieser Frage an.

 

Ist dieser Wechselplan realistisch oder regiert hier eher das Prinzip Hoffnung?

 

Realistisch ist es für einen Teil der Leute, für viele aber eben nicht. Die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist an klare gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Wer sich da auf YouTube-Videos oder Forenbeiträge verlässt, erlebt oft ein böses Erwachen. Im schlimmsten Fall wird der Wechsel rückabgewickelt – mit saftigen Nachzahlungen.

 


Der Payroll-Interim Manager
Bernhard Poetschki

 


Welche Optionen gibt es denn konkret?

 

Wer unter 55 Jahre alt ist und angestellt, hat eine Chance. Wenn das Bruttoeinkommen unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze rutscht, wird man automatisch wieder versicherungspflichtig und dann ist ein Wechsel in die GKV möglich.

 

Für Selbstständige ist der Weg steiler. Die müssen ihre Selbstständigkeit komplett aufgeben und in ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis wechseln.

 

Und ab 55 wird es mit diesem Vorhaben düster, oder?

 

Ziemlich. Ab 55 ist ein Wechsel in der Regel ausgeschlossen. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel über die Familienversicherung des Ehepartners, wenn man kaum eigenes Einkommen hat. Oder durch einen Wohnsitzwechsel in ein EU-Land mit einem GKV-ähnlichen System. Aber das sind Spezialfälle.

 

Stimmt es denn überhaupt immer, dass die GKV ist im Alter günstiger ist?

 

Nicht pauschal. Entscheidend ist, ob man in die Krankenversicherung der Rentner kommt, kurz KVdR. Dafür muss man in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens zu 90 Prozent gesetzlich versichert gewesen sein. Wer das nicht erfüllt, wird freiwilliges Mitglied in der GKV. Dann sind nicht nur Beiträge auf die gesetzliche Rente fällig, sondern auch auf Kapitalerträge und andere Einkünfte. Das geht schnell über 1.100 Euro im Monat hinaus – und ab 2026 kann es aufgrund der deutlichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Zusatzbeiträge noch teurer werden.

 


Lesetipp:

PKV & Payroll:
Warum trotzdem Beiträge abgezogen werden

Foto: Erstellt mit Midjourney.


 

 

 

Und das Leistungsniveau der PKV gibt man auch noch auf…

 

Richtig. Viele stellen sich das zu rosig vor. In der GKV bekommt man eben nicht dieselbe Behandlung wie mit einem guten PKV-Tarif. Und ausgerechnet im Alter, wenn man medizinisch mehr braucht, spürt man das deutlich.

 

Was empfiehlst du denen, die jetzt ernsthaft über einen Wechsel nachdenken?

 

Zuerst einmal gilt es, nüchtern die Fakten zu checken. Was kostet meine PKV aktuell? Wie entwickeln sich die Beiträge? Was fällt im Alter weg? Und was verliere ich an Leistungen, wenn ich rausgehe? Danach empfiehlt sich eine Beratung bei der GKV. Die geben klare Auskunft, was geht – und was nicht.


Außerdem sollte man Alternativen prüfen. Ein interner Tarifwechsel oder eine gezielte Beitragsoptimierung innerhalb der PKV kann oft die bessere Lösung sein.

 

Warum spielen bei diesem Thema Steuerberater oftmals eine Rolle?

 

Steuerberater sind oft die ersten, die das Thema durch ihre Mandanten auf den Tisch bekommen. Aber viele stoßen bei Krankenversicherungsfragen an ihre Grenzen. Genau hier entstehen neue Chancen für eine sinnvolle Zusammenarbeit mit Experten für Sozialversicherung, etwa über gemeinsame Beratungsangebote. Steuerberater müssen das Thema nicht allein lösen, aber sie sollten wissen, an wen sie verweisen können.

 

Hast Du einen pauschalen Rat an jene Menschen, die mit genau diesem Gedanken spielen, zurück in die GKV zu wechseln?

 

Keine Schnellschüsse. Erst rechnen, dann entscheiden. Der Rückweg in die GKV ist kein Allheilmittel. Wer es richtig macht, kann profitieren. Wer es falsch macht, zahlt doppelt – finanziell und mit Blick auf die Versorgung.

 

Klare Kante. Danke, lieber Stephan.

 


Wer ist Stephan Timper?

Stephan ist ein renommierter Sozialversicherungsfachangestellter mit über 35 Jahren Tätigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung.
 
Seit 2017 arbeitet er als Key-Account-Manager bei der BIG direkt gesund und ist dort für die Region Südost zuständig. Neben seiner Haupttätigkeit engagiert sich Timper als Dozent für Sozialversicherung und gibt damit sein umfangreiches Fachwissen an andere weiter.

 


Checkliste:
Bin ich (theoretisch) rückkehrfähig?

Angestellt und unter 55 Jahre?

→ Prüfen, ob das Bruttoeinkommen unter die aktuelle Jahresarbeitsentgeltgrenze (2025: 73.800 €) fällt.
Ja: Versicherungspflicht tritt ein → GKV wird möglich.
Nein: Du bleibst PKV-versichert.

Selbstständig und unter 55?

→ Nur Rückkehr möglich, wenn du deine Selbstständigkeit komplett aufgibst und ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis aufnimmst.

Über 55 Jahre alt?

→ Rückkehr nur in Sonderfällen:

  • Familienversicherung über gesetzlich versicherten Ehepartner (geringes eigenes Einkommen!)
  • Wohnsitzverlagerung ins EU-/EWR-Ausland mit GKV-gleichwertigem System

Habe ich Chancen auf die KVdR im Rentenalter?

→ Rechne deine Versicherungszeiten in der zweiten Hälfte deines Erwerbslebens aus.
Mindestens 90 Prozent müssen gesetzlich versichert sein

Erfüllt? → Glück gehabt, dann bist du später pflichtversichert in der GKV
Nicht erfüllt? → Freiwillige GKV-Mitgliedschaft mit Beiträgen auf alle Einkünfte (auch Miete, Kapitalerträge etc.)

Was kostet mich die PKV – jetzt und in Zukunft?

  • Aktueller Monatsbeitrag: ______ €
  • Prognose Beitrag mit 67+: ______ €
  • Rückstellungen vorhanden? Ja / Nein
  • Welche Leistungen würde ich beim Wechsel verlieren?

Welche Alternativen gibt es zur Rückkehr in die GKV?

  • Interner Tarifwechsel bei der PKV
  • Beitragssenkung durch Anpassung des Selbstbehalts
  • Pflegezusatzversicherung zur Absicherung im Alter
  • Rentenplanung gemeinsam mit dem Steuerberater durchgehen

Was kann ich jetzt tun?

  • GKV-Beratung vereinbaren (kostenlos & neutral)
  • Steuerberater oder Versicherungsexperten mit ins Boot holen
  • Keine Schnellschüsse – sondern sauber rechnen und prüfen
  • Nur sichere Wege gehen – keine „Online-Tricks“ aus dubiosen Foren

Kurz gesagt

Der Weg zurück in die gesetzliche Krankenversicherung ist machbar – aber nur für wenige. Wer clever ist, prüft alle Optionen und holt sich frühzeitig fachlichen Rat.


 

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